Paradoxe deutsche Wörter

Die deutsche Sprache unterscheidet sich von anderen Sprachen darin, dass bei ihr häufig und auch gerne, wenn ich das anmerken darf, zwei Wörter zu einem zusammengefügt werden.

Man nimmt beispielsweise einfach ein Verb und ein Substantiv, wirft diese zusammen und voilà, schon hast du ein neues Wort. Das übrigens von der Bedeutung her nicht immer, was mit den beiden einzelnen Wörtern gemeinsam haben muss.

Folgend findest du einige paradoxe deutsche Wörter aufgelistet:

 

Gehweg

Hier einmal folgendes Beispiel dazu: aus dem Verb „gehen“ und dem Substantiv „Weg“ entsteht „Gehweg“. Es ist dann zwar kein gehender Weg, aber ein Weg, auf dem man gehen kann.

 

Kindergarten

Oder wie ist es mit dem Begriff „Kindergarten“. Es handelt sich hierbei auch um einen Zusammenwurf von zwei Substantiven „Kinder“ und „Garten“, allerdings bedeutet der Begriff nicht, dass es dabei um Kinder in einem Garten geht.

 

Stillschweigend

Schauen wir uns nun zusammengesetzte Wörter an, die zueinander im Widerspruch stehen. Bei dem Wort „stillschweigend“ frage ich mich immer, ist schweigend denn nicht aussagekräftig genug?

Oder kann man denn überhaupt laut schweigen? Nun ja, auf jeden Fall klingt stillschweigend eindrucksvoller. Weshalb man dieses Wort auch ganz gut in literarischen Texten verwenden kann.

 

Kugelrund

Bei dem nächsten Wort verhält es sich ähnlich. Kugelrund. Es ist, als würde ich sagen, der runde Ball.

Ich weiß ja nicht, wie es euch dabei geht, aber wenn jemand von einem Ball spricht, gehe ich schon mal davon aus, dass es sich dabei nicht um einen eckigen Ball handelt.

Ja, ich bin mir dessen bewusst, dass es in der deutschen Sprache auch den Tanzball gibt. Aber seien wir mal ehrlich, aus dem gegebenen Kontext kann man diese beiden Wörter schon auseinanderhalten.

Dasselbe frage ich mich, wenn ich das Adjektiv kugelrund höre oder lese. Wenn ein Gegenstand oder in gegebenen Kontexten, vielleicht auch Lebewesen, als rund beschrieben werden, gehe ich mit meinem Menschenverstand davon aus, dass es sich dabei um eine Kugel ähnliche Form handelt und nicht etwa um ein rundes Dreieck. Wie auch immer letzteres aussehen könnte.

 

Eiskalt

Wenn jemand zu mir sagt, das Wetter sei bei ihnen in den Bergen eiskalt, dann denke ich mir, naja, das i-Tüpfelchen musste bei der Beschreibung vom Wetter noch draufgesetzt werden. Kalt ist kalt. Da hat kaum jemand noch Lust darauf zumessen, wie kalt es denn genau sei.

Zugegeben, das deutsche Sprachuniversum gibt mehr Spielraum für Wetterbeschreibungen der wärmeren Regionen, und zwar „warm“ und „heiß“.

Was ja aber auch verständlich ist, denn für mich bedeutet „warm“ man spürt die Wärme der Sonne auf der Haut, und „heiß“ bedeutet der Schweiß rennt einem in Strömen vom Körper. Letzteres kann ohne gegebene Abkühlungsmittel zur Qual werden.

 

Originalkopie

Oder wie steht es denn eigentlich mit dem Begriff „Originalkopie“? Wer kennt es nicht, den quälenden Gang bürokratischer Angelegenheiten mit den Dokumenten?

Wir tun es alle, schieben es vor uns her, drücken uns davor, doch letztendlich müssen wir es alle erledigen. Warteschlangen.

Ein nicht enden wollendes umherdüsen, weil noch hier ein Dokument benötigt wird und dann dort noch eine Unterschrift fehlt.

Und dann steht in den Anforderungen auch noch, dass eine Originalkopie abgegeben werden muss. Ja, was denn nun, das Originaldokument oder doch nur eine Kopie?

 

Trauerfeier

Die Spitze des Eisberges an widersprüchlichen Wörtern im Deutschen für mich ist das Wort „Trauerfeier“.

Es gibt nur äußerst wenige Situationen im deutschsprachigen Kulturraum und wenn ich anmerken darf, sind diese meist sehr mysteriösen Umständen geschuldet, bei denen sich das Begräbnis einer Person, tatsächlich um eine Feier handelt.

Ein hohes und vielleicht sogar langersehntes Erbe könnte beispielsweise ein Grund für solch ein Fest sein. Daher würde ich es empfehlen, grundsätzlich den Begriff „Begräbnis“ zu verwenden.

 

Offenes Geheimnis

Dass die Müllers in der Rosenstraße unglücklich verheiratet sind, ist ein offenes Geheimnis im Dorf. Na ja, auch wenn die Nachbarin der Müllers allen im Dorf fleißig davon berichtet hat, kann es sich mittlerweile nicht mehr um ein Geheimnis handeln, auch kein „offenes Geheimnis“.

Denn sobald auch der Mechaniker aus dem Dorf nebenan bei seiner Anreise davon erfahren hat, spätestens dann kann man nun wirklich nicht mehr von einem Geheimnis sprechen. Selbst wenn „offenes Geheimnis“ kein zusammengesetztes Wort ist, so ist es doch eine sich widersprechende Wortkombination.

Ein Geheimnis wird meist von einer Person, aber maximal drei Personen geteilt. Ansonsten handelt es sich dabei meiner Meinung nach, um ein Wissen und kein Geheimnis, so offen es auch sein mag.

 

Wahlpflichtmodul und Wahlpflichtfach

Das nächste paradoxe Wort wird euch in den studentischen Alltag versetzen, vorausgesetzt natürlich ihr befindet euch nicht schon aktuell in diesem.

Wahlpflichtmodul oder auch Wahlpflichtfach sind eine bittersüße Zusammensetzung aus Wörtern, die euch den Sinn des Lebens perfekt darlegen. Wir haben die Pflicht, etwas auszuwählen. Die Qual der Wahl sozusagen.

Keine Sorge, wenn ihr das erste Mal von diesem Begriff hört und stutzig seid, mir erging es nicht anders.

 

Gastwirt

Als wäre Deutsch nicht schon allein von der Grammatik her eine schwere Sprache, gibt es, um einen draufzusetzen, Wörter wie Gastwirt.

Denjenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, sollte man für den Mut einen Orden verleihen. Was ist die Person denn nun, Gast oder Wirt?

Oder etwa beides? Ich weiß, ich weiß, es ist ein Wirt der seine Gäste bewirtet. Ein Gastwirt also.

 

Lebendige Leiche

Wer also versucht, all die paradoxen Wörter im verwirrenden Deutschuniversum zu verstehen, ähnelt mittlerweile einer lebendigen Leiche.

Das letzte der sich widersprechenden Wörter im Deutschen, das ich euch hier vorstelle. Wenn es lebendige Leichen gibt, wissen wir endlich, warum es Zombiefilme gibt und noch wichtiger, woher sie ihre Inspiration haben. Spaß beiseite. Leichen können nicht leben.

Sagt die Wissenschaft der Medizin jedenfalls. Warum zum Henker gibt es dann im Deutschen Wörter wie lebendige Leiche, die auch noch im Zusammenhang außerhalb von Zombiefilmen verwendet werden?

Ganz einfach, der schnelle Wandel der Zeiten, etwa durch die industrielle Revolution, die rasant dahin preschende Entwicklung der digitalen Welt, sind nicht spurlos in ihrer Hektik an die Menschen vorbeigegangen.

Wo die Menschheit sich weiterentwickelt oder auch modernisiert hat, wie wir es so schön oft sagen, muss es die Sprache ihr gleichtun.

Daher der Begriff lebendige Leiche. Es bedeutet demnach nichts anderes als ausgelaugte Menschen, die äußerlich, wie eine Leiche, aussehen. Keine Sorge, das Herz schlägt aber immer noch.

 

Bittersüß

Bittersüß ist ein Paradebeispiel für ein paradoxes deutsches Wort. Es setzt sich aus den beiden Gegensätzen „bitter“ und „süß“ zusammen.

Da stellt sich dann zu Recht die Frage, wie ist es denn jetzt, bitter, oder süß?

Ein Beispiel für seine Verwendung ist, wenn man sich nach einer längeren gemeinsamen Zeit, von einer geliebten Person verabschiedet.

Hier ist der Abschied und die Trennung zu einem bitter, aber auch gleichzeitig süß, da man rückblickend eine schöne gemeinsame Zeit hatte.

 

Fazit – widersprüchliche deutsche Wörter

Die deutsche Sprache ist unerschöpflich. Durch Zusammensetzungen und Neubildungen von Wörtern bleiben wir auch sprachlich auf den neusten Stand der Weltbühne.

Selbst wenn dadurch paradoxe Wortbildungen oder Wortkombinationen entstehen.

Aber ist es nicht genau das, was wir so sehr an dem Sprachuniversum des Deutschen lieben?

Ein Ausdrucksmittel, mit dem wir uns selbst in einer sich widersprechenden und paradoxen Welt genau und zielgerichtet ausdrücken können? Eine Frage habe ich zum Schluss noch an euch. Wenn Licht nicht schwarz sein kann, was ist denn dann eigentlich Schwarzlicht?

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.. ist dreisprachig aufgewachsen und gilt mit Kenntnissen in sechs Sprachen als polyglott. Sie stammt ursprünglich aus Paraguay, wo sie in einer Familie mit kanadischen und deutschen Wurzeln aufgewachsen ist. Sprachen haben sie schon immer fasziniert und daher studiert sie im Erststudium Translationswissenschaft mit den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Russisch und im Zweitstudium Germanistik mit dem Beifach Zivilrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz/Germersheim. Sie ist Stipendiatin der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. und beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Literatur. So liebt sie es, Bücher und Hörspiele zu verschlingen und schreibt aktuell selbst an einem Kriminalroman. Ihre Expertise sowie Faszination in Bezug auf das Thema Sprachen teilt sie gerne mit den Lesern von Sprachwissen.

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